Leseprobe Inland-Eis

Leseprobe aus Éilís Ní Dhuibhne »Das Inland-Eis«

Lili Marleen

Es ist ein wenig überraschend, daß mich das Ende der Liebe glücklich machen kann. Vielleicht bin ich irgendwie durch und durch schrecklich mängelbehaftet? Abartig, wie ein Serienmörder oder ein Masochist? Wenn man in meinem Herzen grübe, würde man anstelle des klebrigheiß Glucksenden, das dort sein sollte, vielleicht nur einen weißen, harten Eisblock finden, der nie taut. Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, daß ich nicht unglücklich sondern begeistert bin, von dem Mann frei zu sein, in den ich länger verliebt war, als der süchtigste Liebesgeschichtenleser glauben würde.

In dem Buchladen, in dem ich arbeite, fragte mich einmal ein Kollege, ob ich Männer hasse. Er fragte, weil er mich als Feministin eingestuft hatte, ähnlich wie wir entscheiden, ob wir ein Buch in das Regal Frauenstudien, Leben und Gesundheit, Philosophie oder Moderne Literatur stellen, auch wenn wir wissen, daß es mehr oder weniger zu jeder dieser Gruppen gehört: wir müssen uns für eine entscheiden. Alles hat sein vorrangiges, hervorstechendes Merkmal. Und er dachte, Männerhaß sei vielleicht meines. Nun, er war betrunken. Ich war von der Frage so überrascht, daß ich mein kleines schüchternes Lachen lachte und eine unhörbare Antwort murmelte. Hasse ich Männer? Das scheint mir sehr unwahrscheinlich, und es ist gleichzeitig zu gefährlich, darüber nachzusinnen.

Doch ich muß zugeben, in diesem Moment glücklich zu sein - mehr als das, ich glitzere und funkle vor kristallener Freude, vor glänzendem Optimismus, der die alltäglichen Einzelheiten meines Lebens mit einem silbrigen Licht durchtränkt, wie es der Beginn der Liebe getan hat. Ich fühle Ähnliches wie zu Anfang, doch es ist nicht dasselbe. Ich weiß, es ist nicht dasselbe, und ich frage mich, ob es nicht besser ist.

Nicht, daß ich nichts bereut und kein gebrochenes Herz gehabt hätte. Das hatte ich, lange zermürbende Ewigkeiten der Reue, Monate der Ungeduld, der Eifersucht, des Zorns. Des Weinens. Monatelang habe ich geweint, still im Inneren und zornig laut. Doch das ging vorüber, wie es in solchen Fällen immer vorübergeht. Nun bin ich auf einer Stufe angekommen, auf der die Liebe ein kaltes und weit von mir entferntes Wort ist. Ich betrachte es, wie ich vielleicht ein Sahnetörtchen hinter der Schaufensterscheibe einer Konditorei betrachten würde, und habe nicht mehr den geringsten Appetit auf dieses Sahnetörtchen. Möglicherweise ist es aus Plastik oder Pappmaché. Es stößt mich nicht ab und zieht mich nicht an. Und was noch bedeutsamer ist, ich habe keine Angst mehr vor ihm wie monatelang. Ich kann jetzt einen unbeteiligten Blick darauf werfen und es mit der gleichen Leidenschaftslosigkeit betrachten, die ich für die verliebten Pärchen auf der Straße oder im Park empfinde, Menschen, die in mir jahrelang die heftigsten Gefühle von Neid und Qual hervorgerufen haben.

Es gibt Zeiten, in denen glaube ich sogar, ihn, den Mann in dieser Geschichte, sehen und ohne Erröten oder einen Stich von Sehnsucht an ihm vorbeigehen zu können. Doch da bin ich des Bodens unter meinen Füßen nicht so sicher und gebe vielleicht einer Wunschvorstellung nach. Ich bin jedoch sicher, ich hätte die Kraft an ihm vorbeizugehen, sollte ich ihm begegnen, was sehr unwahrscheinlich ist. Ich würde an ihm vorbeigehen, ganz egal, was ich empfände. Mein Kopf würde das Herz beherrschen, weil es schließlich und endlich ihn betrifft. Diese Sicherheit, das Wissen, mir selbst die Entlassungspapiere ausgestellt zu haben, erhellt meine Tage und läßt mein Herz hochfliegen.

Ich bestelle jetzt buchstäblich meinen eigenen Garten. Es macht Freude. Jahrelang ist er sich selbst überlassen gewesen, und die Dornen und Nesseln und Disteln haben ihn überwältigt. Nun bin ich wieder da mit Stiefeln und Gummihandschuhen, Harke und Gartenschere und säubere und jäte und stutze voller Pläne und Hoffnungen. Bald werde ich pflanzen. Bald werde ich einen Eimer mit tausend Blumenzwiebeln nehmen, und bald wird mein Garten von goldenen Narzissen übersät sein. Und später werde ich darin Nelken und Rittersporn, Jasmin, Klematis und Geißblatt haben. Petersilie, Minze, Thymian. Zitronenverbenen, Rosmarin, Rauten. Ich werde eine rote, geschwungene japanische Brücke bauen lassen und einen Teich für Frösche und Lilien graben, und ich werde eine Laube oder einen Bogen oder ein Lusthäuschen oder irgendetwas anderes errichten. Weil ich eine lange lange Zeit müßig gewesen bin, müßig im Heuschober, müßig im Federbett, müßig in der Sauna, müßig im Herzen. Mein Körper und mein Geist und ich glaube auch meine Seele waren schlaff und saftlos. Doch jetzt sind sie muskulös und kraftvoll, bereit zur Tätigkeit. Ich bin voller Tatendrang.