Aus der Einleitung

Die traditionelle koreanische Erzählliteratur – Kososol oder Kodae Sosol genannt – stellt eine Literatur-Gattung dar, die im 15. Jahrhundert durch Kim Si-sup und sein berühmtes Werk Kumo sinhwa eingeführt wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, vor dem Innovationsschub der Reformen im Kabo-Jahr (1894), erreichte diese Erzähl-Gattung ihren Höhepunkt. In der Folgezeit wurde sie von der neuen Prosagattung »Sinsosol«, »Neue Erzählungen«, abgelöst, die stark von der europäischen Literatur beeinflußt war. In der Kososol wurde ursprünglich mündlich überliefertes Erzählgut, Sorhwa, überwiegend religiösen und biographischen Inhalts, durch die Verbreitung der koreanischen Buchstabenschrift Hangul nach dem Vorbild chinesischer Erzählliteratur niedergeschrieben. Die meisten der überlieferten Werke der Kososol kennen daher auch keinen Verfasser, sind also anonymen Ursprungs. Ein charakteristisches Merkmal der Kososol ist der Aufbau der Erzählung. So beginnen z.B. fast alle mit dem folgenden Vorspann: »Zur Zeit des Kaisers bzw. Königs A lebte ein Mann in dem Ort B. Er hieß C, mit Beinamen D. Er war ein Nachfahr des berühmten bzw. wohlhabenden E. Obwohl er mit seiner Frau F eine durchaus harmonische Ehe führte, war den beiden bis ins hohe Alter kein Nachwuchs beschieden … Eines Nachts hatte die Frau einen seltsamen Traum (oder ähnliches), wurde schwanger und gebar einen Sohn, der sich von Anfang an als ungewöhnlich erwies …«. Dann fährt die Geschichte mit der Schilderung der Heldentaten dieses Sohnes fort. Am Ende folgt in den meisten Handschriften die – fast schon obligatorische – konfuzianische Morallehre, die der Abschreiber aus der Geschichte zieht. Da man in Korea bis zur Zeit der Reformen im Kabo-Jahr (1894) keinen maschinellen Druck von Büchern kannte, existieren parallel zu den handschriftlich verfaßten Texten auch Blockdrucke, die in den meisten Fällen die Funktion von Leihbüchern erfüllten. Diese beiden Buchformen wurden bald von den maschinell mit den Gutenbergschen Typen gedruckten Romanheftchen, auch »Ttakchibon« genannt, verdrängt. Die damit verbundene Kommerzialisierung leitete eine epochale Wende in der Geschichte des -koreanischen Buchdrucks ein. Nach Schätzung der Fachgelehrten soll es sich bei den etwa 3.500 Exemplaren der Erzählliteratur – die sich auf -ungefähr 600 unterschiedliche Titel verteilen – in ca. 1.200 Fällen um Handschriften handeln, in ca. 200 Fällen um Blockdrucke und in weiteren ca. 2.000 bis 2.200 Fällen um Romanheftchen, die innerhalb und außerhalb Koreas anzutreffen sind. …

Der vorliegende Katalog stellt also den Gesamtbestand der nunmehr an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek vorhandenen handschriftlichen Kososol-Literatur in Form von Mikrofilmen oder – in wenigen Fällen – Xerokopien dar.

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