Leseprobe aus: Rooney Langer Nächte Wacht


Als Spinkey und ich durch den Samstagnachmittag fuhren, war ich in Kopf und Herz so sicher, wie man überhaupt sein kann, daß ich tat, was getan werden mußte. Während zur gleichen Zeit andere im nationalistischen Westen Belfasts das hinterfragen mochten, es falsch genannt hätten und mein Vater die Folgen verabscheute, stellte doch kaum jemand unsere Motive in Frage. Wir waren die Kinder von '69, die Fleischwerdung der Sünden unserer Väter, die Hervorbringung britischer Politik und irischer Feigheit, ausgebrütet in den Feuern des Vormachtstellungshasses. Was immer man von uns denken konnte, wir waren das Produkt alles Vergangenen, Fluch unserer nun erkannten Feinde, Wirklichkeit gewordene Alpträume meines Vaters. Ich fühlte mich nicht als ›Opfer der Gesellschaft‹, sondern empfand mich als aktiven Teil der Lösung, war dieses höchst optimistische und fröhliche Produkt aller Kriege ... ein Freiwilliger.

Das Einkaufszentrum bestand aus vierzehn kleinen Einheiten, die sich um einen großen Supermarkt, eine Post und eine Bank herum gruppierten. Die Läden lagen auf drei Seiten eines Quadrats, dessen vierte Seite die Hauptstraße bildete. Hinter dem Komplex gab es ein Wohnviertel, in dem die Flaggen der Unionisten stolz im zunehmenden Wind flatterten.

Der Tag wurde kalt, die Morgensonne hatte sich den Launen des Herbstes ergeben. Wir saßen, verstohlen besorgt, wachsam wie Falken, sprachen wenig und warteten darauf, daß die Eisenwarenhandlung sich leerte. Auf der anderen Seite der Straße war ein Wall aus festgetretener Erde, der in einen flachen Erdhügel etwa zehn Meter entfernt überging. Beides zusammen bildete einen schlichten Aussichtspunkt für unsere späteren Bedürfnisse. Mit einem doppelten Satz ausgebrannter Autos als einziger Deckung lag er im Blickfeld eines Haufens zusammengedrängter katholischer Häuser, denen die Belagerung auf die Mauern ihrer Fassaden geschrieben stand. Ihre Giebelenden starrten leer auf die Straße hinaus, fensterlos und verunstaltet machten sie jede Hoffnung auf einen normalen Hinterhalt zunichte. Wir würden von der Halde aus angreifen und durch das Gewirr der katholischen Häuser zu einem Fahrzeug und damit in die Sicherheit verschwinden. Mo würde ohne Schnörkel auskommen müssen, aber mit ein bißchen Glück würden einige hastige Salven ausreichen, genügend Hunnen auf uns zu ziehen, um ihn bei Laune zu halten. Meine Vorbehalte gegen den Angriff kehrten beim Betrachten des Ortes noch einmal trostlos verstärkt zurück, ich konnte spüren, daß Spinkey um nichts mehr beeindruckt war als ich. Er tippte mir auf die Schulter.

»Der Laden macht gleich dicht, Zeit für deinen Auftritt, Kumpel.«

Mit der Farbdose in der Tragetasche betrat ich den Laden, kämpfte um Lässigkeit. Butter wäre in meinem Mund nicht geschmolzen. Die Frau des Besitzers stand hinter dem Tresen, als ich hereinkam, das gab mir das Selbstbewußtsein zurück.

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