Leseprobe aus Tong-gyu Hwang: Windbestattung



Windbestattung 9

Wie der Wind, der nach Gutdünken irgendwohin weht,
ging ich nach Sosan, um die Buddhas auf der Felsenklippe zu sehen.
In jedem Dorf reifte die Trockenheit des Spätwinters
das Bambuslaub: kupfernickelfarben vom Rand.
Der gefrorene Weg begann zu tauen
und tanzender Frühlingsschnee wirbelt in den Bambushain.
Bei mir trug ich getrockneten Tintenfisch, den ich verzehrte
und zurückkehrte, nachdem Branntwein meinen Körper innerlich sprengte.


Windbestattung 26

Warum ist Dharmakaya während seiner neunjährigen Ausübung des Zen gegen Wände nicht verwelkt?
Warum hat Dharmakaya statt des Verwelkens die Rückbildung der vier Gliedmaßen erwählt?
Haben seine Glieder in Ekstase und Schmerz
(dem tonlosen Schrei der Peinigung, dem Gelächter der Eingeweide, der Selbstaufgabe des Lebens)
widerstanden, jeder Zelle
ein Lächeln schickend in wortloser Erwartung?

Was ist Warten? Was ist Rückbildung?
Ist Entwicklung vielleicht ein Rückwärtsgehen von der Rückbildung?
Der Mensch mit Körper und Gliedern, ein Wesen in anhaltender Verfehlung
auf Schritt und Tritt mit dem Rücken zur Wand.


Windbestattung 70

Auf der Spitze eines trockenen Astes, der über ein Bächlein sich reckt
Im abendlichen Sonnenlicht.
Sitzt ein kleiner Wasservogel
abgemagert.
Ist er in Gedanken versunken?
Schaut er auf das Bächlein herab?
Erschaut er sein im Wasser sich spiegelndes Ebenbild?
Oder entschläft er gerade?

Entschläft er gerade
Ohne Träume?

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